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12.Nov.06 | 18.Apr.07 |
Dieses Jahr waren die Kletterhallen schon im Oktober total überfüllt. Sowohl in Ottobeuren, als auch in Stuttgart und in München muss man an den Routen (egal welchen Schwierigkeitsgrades) anstehen. Die Kreidekonzentration in der Luft ist ein k.o.-Kriterium für jeden Asthmatiker. Das Stresslevel der Kletternden steigt automatisch. Statt der sonst so ruhigen und rücksichtsvollen “usuals”, trifft man nur noch Kletteranfänger bzw. gestresste “einmal im halben Jahr Kletterer” (welche Routen dann stundenlang belegen). Wie dem auch sei, Andreas und ich entschlossen uns, diesem pandemonium ein weiteres Mal zu entfliehen.
Die Planung war auf Grund der Wetterlage nicht so leicht. Im ganzen Grossraum der Alpen war Regen (oberhalb 1500m Schnee) angesagt. Ausserdem wollten wir nur eine Tagestour gehen und suchten deswegen einen Berg mit relativ kurzem Zustieg. Beim Blättern durch meinen “Allgäu” – Kletterführer fiel mir der Gimpel (2176m) auf. Zum Gimpelhaus (1685m) läuft man von Nesselwängle (1147m) im Tannheimer Tal etwas über eine Stunde. Von der Hütte zum Einstieg in die Routen dann noch einmal ca. 30-45min.
Da ich zusammen mit Brigitte im Juni letzten Jahres die “Neue Südwand” (230m, 7+) am Gimpel gegangen bin, kannte ich das Gebiet, was beim Suchen nach den Einstiegen sicher hilfreich sein würde 😉 Die Frage war nur, welche Route wir heute gehen würden. Als ich früh morgens ins Tannheimer Tal eingeritten bin, hatte es -5°C daussen. Entsprechen war uns eigentlich klar, dass wir mit Boots und Handschuhen klettern würden (dazu später noch mehr). Auf der Westalpen-Hochtour haben wir bei der Weissmies-Überschreitung 400 Hm im unteren dritten Grad auf 4000m Höhe gemeistert. Also haben wir jetzt mal den oberen vierten Grad angepeilt und uns für die “Alte Südwand” (280m, 4+) mit der “Genießervariante” (60, 5-) entscheiden.
[exzo url=”” title=”Alte Südwand (blau: Genießervariante, rot: Wüstendorferkamin)” id=”image151″]gimpeldec06_01.jpg[/exzo]
Gesagt getan! Im Sinne von “pack light, climb fast” haben wir nur das Nötigste (für diese Witterung) mitgenommen (war also ohne meine D200 unterwegs <schnüff>) und waren im Nullzeit zum Gimpelhaus aufgesteigen.
[exzo url=”http://gallery.vimagic.de/Climbing/2006-11-11″ title=”Frühstück am Gimpelhaus” id=”image108″]gimpel_im_november1.jpg[/exzo]
Das Wetter am Vormittag war optimal. Die Sonne brachte die Temperaturen sicher auf über Null Grad und unser Gemüt auf Hochstimmung. Beim kleinen Frühstück, trafen wir noch zwei Kletterer auf dem Weg zur Roten Flüh. Wir waren also nicht die einzigen “Verrückten”, welche die letzten Herbsttage nutzen wollten. Der weitere Zustieg zu den Routen und das Finden des Einstiegen war problemlos. Kurz nach 10 Uhr begannen wir mit dem Klettern. Zum ersten Mal sind wir im “running belay” Verfahren geklettert (Erklärung siehe unten). Nach etwas Feinabstimmung bezüglich der Seillänge haben wir uns auf knapp unter 20m geeinigt. Normalerweise würde man mehr Seil lassen, aber wir wollten in Kommunitkationsreichweite bleiben, da wir das so noch nie gemacht haben.
Um es kurz zu machen, es hat tadellos funktioniert! Während Brigitte und ich für die Neue Südwand ca. 7h gebraucht haben, sind Andreas und ich die Alte Südwand (incl. Wüstendorferkamin) in 2h geklettert. Man kann diskutieren, wie der niedrigere Schwierigkeitsgrad vs. “Klettern in Boots” die Zeit beeinflusst, aber ich denke es ist deutlich klar, dass man beim simultanen Klettern mit dem “running belay” erheblich schneller ist.
[exzo url=”http://gallery.vimagic.de/Climbing/2006-11-11″ title=”Andreas auf dem Gimpel” id=”image110″]gimpel_im_november3.jpg[/exzo]
Aber wie es so oft draussen ist, haben wir den Abzweig zur Genießervariante verpasst. Reflektierend ist klar, dass wir an der Stelle den Weg als viel zu einfach abgestempelt haben, bzw. uns nicht klar war, dass wir durch das running belaying schon so hoch in der Wand waren. Wie dem auch sei, statt der Alten Südwand oder der Genießervariante sind wir in den Wüstendorferkamin eingestiegen. Das ist uns aber erst aufgefallen, als wir direkt nach dem Kamin unterm Gipfelkreuz auf den Normalweg kamen. Leider ist im meinem Führer keine Bewertung für den Kamin angegeben. Auch kannte Google bis heute keinen Eintrag bei der Suche nach diesem Kamin. Offensichtlich sind wir die ersten, welche diesen Kamin geklettert sind und davon berichten (es gibt Bohrhaken im 10-15m Abstand und eine Bandschlinge in der überhängenden Schlüsselstelle). Auf Grund mangelnder Informationen behaupte ich jetzt einfach, dass die Schlüsselstelle im Kamin sicher eine 5+/6- ist. Der Rest des Kamins ist langanhaltend im mittleren 5.-Grad. Zumindest für’s Klettern in Stiefeln und mit Handschuhen, empfanden wir das als unser Limit (dummer Weise war ich nichtmal 12h vorher noch in Stuttgart klettern und habe dann doch mehr gemacht, als gut gewesen wäre 😉
Ansonsten ist noch zu berichten, dass der Wetterbericht recht hatte. Im Laufe des Vormittages wurde es immer windiger. Unter dem Gipfelkreuz hatten wir schon sehr stürmische Windböen, welche Schnee und Eis mit sich brachten. Das erklärt auch die folgende lustige Momentaufnahme:
[exzo url=”http://gallery.vimagic.de/Climbing/2006-11-11″ title=”Sturm auf dem Gipel” id=”image111″]gimpel.jpg[/exzo]
Beim Abstieg über den Normalweg fing es dann auch an zu schneien, was dann später (=tiefer) immer mehr in Regen überging. Interessant war noch, dass wir sehr skeptische (überraschte?) Blicke von einem Pärchen ernteten, welche gerade den Normalweg (knapp unterhalb des Gipfels!?!) abbrachen, als wir ein paar Metern über ihnen aus der Südwand kletterten.
Beim Abstieg haben wir noch überlegt, ob wir uns über unbekanntem Terrain abseilen sollten (in der Kamin gab es oben keine Sicherung mehr), haben das aber dann doch verworfen und für den Normalweg entschieden. Das wollten wir zuerst nicht, da die Anfänge nordseitig und damit schon meterhoch mit Schnee waren. Wir haben dann im oberen Teil bis zur Scharte einen Mix aus Abseilen und Gratklettern gewählt, um möglichst schnell aus der stürmischen weissen Höllen zu entfliehen.
Als wir dann wieder am Auto ankamen und uns eine heiße Nudelsuppe mich Hähnchen teilten, waren wir wieder total glücklich unsere Horizonte erweitert zu haben. Zwar würde ich das (noch) nicht als Winterbesteigung gelten lassen, aber wir haben wieder etwas mehr Erfahrung beim klettern mit Stiefeln und in Handschuhen im mittleren Schwierigkeitsgrad gewonnen. Auch das running belaying hat sich als äußerst effizient erwiesen. Alles in allem haben wir eine neue Erfahung, von der wir im nächsten Monat zehren können, wenn wir wieder Chalk atmend auf eine Route warten. Und dann steht sicher schon das Eis!
Alle weiteren Bilder wie immer in der Gallery. Dieses Mal sind es leider nicht so viele, da ich wie gesagt ohne meine Cam geklettert bin und die ausgeborgte Minicam von Andreas unter Altersschwäche leidet (1 Bild bei den Temperaturen = Akku-Tot).
“running belay“: In den Bergen ist Geschwindigkeit immer Dein Freund. Gerade bei den Temperaturen möchte man Stillstandszeiten minimieren. Deswegen kann man beim überqueren von leichtem- bis mittel-schwerem Terrain, also auch beim Klettern in Schwierigkeitsgraden, welche deutlich unter dem liegen, welche man sonst bequem klettert, dass Verfahren einer “laufenden Sicherung” verwenden. Die Idee dabei ist, dass man keine Speziellen Standplätze benutzt (an denen der Vorsteigende den Nachsteigenden sichert). Statt dessen klettern immer beide gleichzeitig im entsprechenden Abstand. Während der Vorsteigende Exen und Seil einklinkt, klinkt der Nachsteinde entsprechen aus und sammelt das Material wieder ein. Das geht solange, bis der Vorsteigende kein Material mehr hat – dann wird getauscht. Zwischen den beiden Kletternden sind also je nach Seillänge und Abstand der Bohrhaken entsprechend viele Exen, welche als Sicherung im Falle des Sturzes dienen. Manchmal wird das Verfahren auch als “simul climbing” bezeichnet.
“pack light, climb fast“: The key to climbing light and fast is accepting failure before you begin. If failure is a tolerable outcome, then there”s no need to pack the kitchen sink to ensure your success. When ”What if?” is replaced by ”Let”s see what happens” the terrain invariably melts away and the magic carpet ride begins. Ausserdem dazu noch dieser Link
ps: Habe doch tatsächlich heute Muskelkater in den Unterarmen!
danke, werde ich korrigieren!
hi, kleine Anmerkung: Das Übersichtsfoto zeigt weder die genießervariante noch den Wüstendorferkamin. Es zeigt auch nicht die alte Südwand. Ihr seid wohl eine ganz andere Route geklettert! Im Bild ist die südostwand, die mit 3+ bewertet ist, zu sehen. Die rote route ist der südoskamin und ist mit 4 bewertet. lg martin
Na wenn das keine Steilvorlage für allerlei lustige Kommentare ist 😉
Der Muskelkater muß aus Stuttgart sein! Zumindest der in den Armen – mir tut nur der hintern weh 🙂