post: | Finale Ligure #1/2011 | mod: |
06.Feb.11 | 09.Feb.11 |
Geschundene Knie, wunde Finger, verbrannte Lippen und Augen so klein, dass man eigentlich Streichhölzer braucht, um sie offen zu halten… Was muss das für ein Wochenende gewesem sein? Es war ein sonniges, angenehm warmes Kletterwochenende in Finale Ligure. Tolle Routen in bestem Fels – in einem Wort: Perfekt!
Eigentlich wollten wir dieses Wochenende Eisklettern gehen. Angesagte +10 Grad bis auf 2000 m Höhe machten durch diese Rechnung aber einen fetten Strich. Als das Freitag Mittag dann entgültig feststand, stellte sich natürlich die Frage nach einem Alternativplan. Und was liegt da Näher als nach Finale zu fahren? Na ja, zugegeben, da kann einem einiges einfallen… Wir sind trotzdem hin, und haben die Entscheidung keine Sekunde bereut.
[zonoex url=”” title=”Mittagessen in der »Grotta dell’Edera«”]finale_1102_007.jpg[/zonoex]
Vielmehr gibt’s zum Freitag dann auch eigentlich nicht zu sagen: 12 Uhr: Idee gehabt, 13 Uhr Idee beschlossen, 14 Uhr gepackt und losgefahren, 21 Uhr eingecheckt und nach einem kurzen Blick in den Kletterführer ab in die Falle. Der Samstag gibt da schon mehr her: Da wir nicht den Mega-Ansturm erwarteten (wie im Frühling oder Frühsommer), weckte uns der digitale Hahn gegen acht am nächsten Morgen. Ein kurzes Großen-Zeh-aus-dem-Fenster-halten ergab recht frische Temperaturen (um die 8 Grad), aber der blaue Himmel versprach Besserung.
Um es kurz zu machen: Auch im Februar hat sie italienische Mittelmeersonne ordentlich Kraft, so dass wir schon am Einstieg über die Idee mit der Daunenjacke schmunzeln mussten (welche wir samt Merinos dabei hatten). Zwar war es im Schatten wirklich recht kühl – aber wer will da auch hin wenn die Südwände locken?
[zonoex url=”” title=”Ankunft am »Rocca di Corno«”]finale_1102_002.jpg[/zonoex]
Nicht weit hinter unserem Hotel liegt der »Rocca di Corno«, wo wir uns den Settore Sud ausgesucht hatten. Auf dem kleinen Plateau, welches den Einstieg zu etwa 20 Routen darstellt, waren wir fast den ganzen Tag alleine. Zum Aufwärmen wählten wir die Drei-Seillängen-Tour »Titomanilo«, welche sich über gut 50 Meter im unteren V. Grad bewegt. Die letzte Seillänge hatte es im Vergleich dazu mit V+ und einer nicht ganz trivialen Verschneidung schon in sich. Kaum oben angekommen mussten wir aber auch gleich wieder runter, um am zweiten großzügigen Standplatz eine zweite Seilschaft vorbei zu lassen. Die beiden netten italienischen Herren waren genauso entspannt wie wir, so dass wir uns leicht einig wurden. Mit einem 70 Meter Seil und etwas Seildehnung konnte man dann wieder bis auf das Plateau abseilen.
[zonoex url=”” title=”Gruppenfoto im Morgengrauen”]finale_1102_005.jpg[/zonoex]
Wieder mit festem Boden unter den Füßen entschied sich Thomas für die »Odeon« (6b/VII), mit einem Einstieg über die »Pescegatto« (7a/VIII). Auf diese Weise konnte man die schwierigste Stelle der »Odeon« umgehen und trotzdem seinen Spaß haben (wir haben diese Stelle dann nochmal im Toprope versucht, und beschlossen, dass wir uns die Kraft lieber aufheben…). Entsprechend unserer Klettertalente haben wir uns den Vorstieg dann solidarisch geteilt: Thomas hat die körperlich schweren Passagen eingehängt, und ich hab mich um die Leisten und Fingerlöcher gekümmert. Am Ende waren wir jeder zweimal angeseilt und einmal oben – und mächtig stolz auf uns.
[zonoex url=”” title=”»Rocca di Corno« Close up”]finale_1102_006.jpg[/zonoex]
Zum Mittag gab es leckere Linsen aus der Dose – klassisch über dem Benzinkocher, dazu ein Becher Tee und als Nachtisch ein halber Müsliriegel. Auf der Flucht vor der Sonne haben wir uns zum Essen in den Schatten gesetzt. Dort haben wir dann allerdings schon nach kurzer Zeit gefroren und waren froh um den wärmenden Tee.
[zonoex url=”” title=”Studie der Koch-Styles »Charmer« vs »Serial Killer«”]finale_1102_004.jpg[/zonoex]
Frisch gestärkt haben wir uns für den zweiten Teil des Tages dann die erste Seillänge der »Folletto Rosso« (6b/VII) ausgesucht. Diesmal stieg ich zuerst ein. Die Linie war zu jedem Zeitpunkt klar, und auch die Absicherung war gut. Weil es der erste Tag der Saison am Fels war, habe ich mir genehmigt, neben den zementierten Bohrhaken auch die rostigen geschlagenen Haken zu klippen. Ob die einen Sturz gehalten hätten mag angezweifelt werden, rein psychologisch fühlte ich mich so aber sicherer! Am letzten Haken vor der Kette verließ mich dann aber doch der Mut: Im Laufe der Tour musste ich schon mehrmals über meinen Schatten springen, aber nun war ich an einem Punkt, an dem ich auch zufrieden hätte abseilen können. Thomas schickte dann aber solange Mut und Kraft nach oben, bis ich schlussendlich dann doch nochmal den Weg links herum versuchte und trotz Nähmaschine in beiden Beinen die Kette klippen konnte.
Thomas hatte während dessen gut aufgepasst und konnte diese erste Seillänge der Folletto Rosso im Nachstieg durchsteigen – Respekt!
[zonoex url=”” title=”Kurzes Päuschen bei gefühlten 30°C in der Sonne”]finale_1102_003.jpg[/zonoex]
Da wir am Sonntag in die »Grotta dell’Edera« wollten und dafür noch etwas Kraft brauchten, entschlossen wir uns, es heute dabei zu belassen. Während des Abstiegs zum Auto verschwand dann auch die Sonne hinterm Horizont, so dass wir das gute Gefühl hatten, den Tag vollständig genutzt zu haben. Abends gab’s dann noch standesgemäß die gute Flasche Rotwein plus Pizza (für Eis war danach kein Platz mehr!) beim besten “Italiener” der Stadt. Zurück im Hotel fielen wir halb zehn erschöpft und happy ins Bett.
Am nächsten Morgen wurden wir nicht durch strahlenden Sonnenschein geweckt, sondern blickten skeptisch in einen wolkenverhangenen Himmel. Aber wir wollten ja sowieso in die Grotte, und da war auch mit blauem Himmel kein Sonnenschein zu erwarten. Genauso warm angezogen wie Samstag morgen, machten wir uns auf den Weg zum Parete Dimenticata, um von dort durch eine Höhle in die »Grotta dell’Edera« zu steigen. Hier erwies sich die Kleiderwahl (inklusive Daunenjacke für den Sichernden) als angemessen.
[zonoex url=”” title=”Das High nach dem ersten Vorstieg des Tages (T-Shirt beim Klettern, Daune beim Sichern)”]finale_1102_008.jpg[/zonoex]
Beim ersten Anblick der Bohrhaken erwies sich unser Topo (Finale Y2K) als zu alt. Einige neue Routen waren hinzugekommen und viele davon sahen sehr ansprechend aus. Wir beschlossen, dass ein Schwierigkeitsgrad, den wir nicht kennen, uns auch nicht abschrecken kann und suchten die vielversprechendste Route aus. Im Nachhinein identifizieren wir sie als »Prana« (6b, VII), fanden sie aber beide deutlich leichter als im 2007er Topo angegeben (insbesondere auch im Vergleich zu den Routen am Samstag). Zwar mit vielen Pausen, und manchmal auch einem Cam zur Zwischensicherung stieg ich diese Route problemlos vor.
[zonoex url=”” title=”Beim Studieren der »Prana« (6b)”]finale_1102_001.jpg[/zonoex]
Da die Kette etwas rechts von der restlichen Route gesetzt wurde, konnte man hier auch prima nachsteigen, was Thomas ohne Schwierigkeiten non-stop tat. Außerdem konnte man auf diese Weise auch die Route unter der Kette im Toperope angehen. Zwar sah dies ganz schön kniffelig aus, aber wenn das Seil schon hängt, kann man es ja mal probieren. Relativ weit rechts einsteigend folgt man hierbei den besten (und scharfkantigsten) Löchern. Ob die Route wirklich so gemeint war (vor allem mit dem Einstieg so weit rechts) wussten wir nicht, aber die Bohrhaken sahen danach aus. Eines der Löcher ragte ein wenig aus der Wand heraus und wäre ein prima ‘Henkel’ gewesen – Leider stand es voller Wasser. Thomas kommentierte mein Lamentieren von unten denn auch mit “Quatsch nich, greif zu und halt’s fest!“. Für die geschundenen Finger war das dann sogar eine nette Abkühlung.
[zonoex url=”” title=”Blick von Oben (auf halber Strecke)”]finale_1102_009.jpg[/zonoex]
Das Fazit dieser Route: Tut fürchterlich weh und ist den Schmerz Wert! Mit nur zwei Pausen und dem Gefühl wirklich gut geklettert zu sein kamen wir beide jeweils am Rande der Extase ‘runter und freuten uns über diese schöne Route. In Ermangelung eines Namens tauften wir die Route »Bird Bath« und beschlossen, sie beim nächsten Mal vorzusteigen. Der Vollständigkeit halber: In Wirklichkeit heißt sie »Remember me as a Friend« und ist mit 6a+ (VII-) bewertet. Insbesondere im Vergleich mit der »Prana« finden wir diese Bewertung zu leicht – unserer Meinung nach kann man die Bewertungen gerade tauschen. Aber das mag auch an der Tagesform liegen und daran, wie einem die jeweils verlangte Technik liegt.
[zonoex url=”” title=”Gipfelschnaps nach der »Bird Bath« (Anne: 6b, Thomas: 6c)”]finale_1102_010.jpg[/zonoex]
Inzwischen war sogar etwas Sonne durchs “Fenster” der Grotte gekommen, und wir konnten uns etwas aufwärmen. Während wir eine weitere Dose Linsen aufwärmten überlegten wir, was man mit dem Resttag nun noch anfangen sollte. Mir taten ziemlich die Finger weh, und eigentlich hatte ich genug. Thomas hatte aber noch Elan, und so beschlossen wir, nochmal zu gucken, was uns an der »Parete Dimenticata« anlacht. Dort angekommen bewunderten wir die überhängenden Routen und stellten vorsichtig Bouldernd fest, dass hierfür wirklich keine Kraft mehr übrig war. Aber eine Route namens »Figowitz« (7a, VIII) hatte es Thomas dann doch genug angetan, dass er sie versuchen wollte. Zwar ist sie nur 10 Meter lang, und dafür mit 4 Bohrhaken plus Kette auch gut abgesichert, aber bei dem Schwierigkeitsgrad erscheint auch das recht wenig. Mit etwas Aufwand konnten wir das Seil aber von oben einhängen, und Thomas konnte sich im Toprope daran versuchen.
[zonoex url=”” title=”Mit Blick auf die »Figowitz« (7a)”]finale_1102_011.jpg[/zonoex]
Der Weg war von unten klar erkennbar und sah nach weiten Zügen und weiteren Schmerzen für die Finger aus. Aber dafür dass wir beide echt platt waren, lief der erste Versuch richtig gut: Mit nur einer Pause an der Schlüsselstelle konnte Thomas die Route bezwingen. Direkt im Anschluss versuchte er es noch ein zweites Mal und kam mit viel ‘ooompf’ und ohne Pause oben an. Danach hatte dann auch Thomas endgültig genug. Wiederum mit der untergehenden Sonne am Horizont machten wir uns auf den Weg zum Auto. Der Plan sah vor, noch zu tanken, und dann direkt nach Hause zu fahren. Unten angekommen packte uns dann aber beide der Hunger, so dass wir vorher noch eine schnelle Pizza in Final Borgo aßen. Auf dem Weg dahin konnten wir schon einen Blick auf die Autobahn werfen, welche nach Stau aussah.
Als wir dann schließlich auf der Autobahn waren, sagte das Navi eine Ankunft um Mitternacht voraus: Genauso hatten wir es geplant! Allerdings machte uns hier ein Rückstau von einer Abfahrt in 20 km Entfernung einen ordentlichen Strich durch die Rechnung. Ohne das länger ausführen zu wollen: Um halb drei waren wir schließlich in Ulm. Aber die Stimmung haben wir uns davon aber nicht vermiesen lassen. Dafür war das Wochenende viel zu schön!
Die B-Seite
[zonoex url=”” title=”Die Blume und der Griff”]finale_1102_012.jpg[/zonoex]
[zonoex url=”” title=”Der Weg aus der Grotte I”]finale_1102_013.jpg[/zonoex]
[zonoex url=”” title=”Der Weg aus der Grotte II”]finale_1102_014.jpg[/zonoex]
[zonoex url=”” title=”An der »Parete Dimenticata«”]finale_1102_015.jpg[/zonoex]
Hallo geufz,
dann heißt dass, sie darf den von uns gegebenen Namen (Bird bath) behalten? Coool.
Danke für die Info!
Grüße,
Anne
Hallo,
nach den Fotos und der Beschreibung habt ihr nicht die Prana geklettert sondern eine namenlose Route neben der Remember… Die Prana ist noch eins weiter links und die 6b+ aus dem Topo passt da auch ganz gut.
Hey,
Details gibt es natürlich nicht. Aber den Links zufolge (welche den Screening Process leider nicht überlebt haben), interessiert Dich das eh nicht 😉 Falls doch, einfach mal runter fahren. Immer nach Süden bis das große Wasser kommt….
cheers,
-tmb
Hallo,
gibt es von dem Bild “Die Blume und der Griff” auch eins wo man etwas mehr Details der Pflanze erkennt.
Ich interessiere mich sehr für die Pflanzenwelt der Felsen dort.
Schreibt mir doch mal eine Mail.
Dankeschön.l
Wow, I spend lot of time viewing all the photos in your site, really nice job.
Echt toller Bericht. Hat Spaß gemacht ihn zu lesen. Ich habe echt einen riesen Respekt vor euch. Für mich wäre das nichts^^