Biberkopf Normalweg


Der Wetterbericht sagte für Sonntag strahlenden Sonnenschein in den österreichischen Bergen vorraus. Also entschieden wir uns, einen zwar deutschen, aber doch möglichst südlichen Berg zu erklimmen – was liegt da näher als Deutschlands südlichster Gipfel der Biberkopf (nicht südlichster Zipfel!)?

[exzo url=”” title=”Biberkopf – Deutschlands südlichster Berg”]bk_001.jpg[/exzo]

Nach dem ausgeprägten Lauftraining im Sommer, unter dem das Klettertraining doch stark gelitten hat, haben wir uns vernünftigerweise für eine Tour mit Bergschuhen, statt mit Kletterschuhen entschieden. Doch auch die versprach spannend zu werden, da in Online-Berichten immer von “klettersteigartigem Terrain – nur für Erfahrene” die Rede ist.
Zunächst musste aber die Kleiderfrage entschieden werden. Nachdem für Thomas die Sache schnell klar war, stand ich vor dem gleichen Problem wie immer: Meine olle Jeans ist zwar an sich ganz gut – mittel warm und gut dehnbar – aber es bleibt einfach eine Jeans und damit unfunktional. Was das heißt, habe ich im Frühling am Gimpel leidig erfahren: Nach einer halben Stunde Schnee war sie komplett nass und es bestand keine Aussicht auf Trocknung, während eine Funktionshose beim bloßen Anblick der Sonne schon wieder trocken ist… Fazit: Samstag Mittag ging es noch schnell ab in den Kletterladen unseres Vertrauens, um eine lange (Merino-)Unterhose zu kaufen. Die würde ich dann unter meine Kletterhose ziehen, und wäre gut gerüstet.
Die zweite Frage, die sich stellte, war die Schuhfrage. Wanderschuhe oder Bergschuhe? Gut, da ich letztere grad zum Geburtstag bekommen hatte und ein Eintragen vor kritischen Einsätzen wie Mehrtagestouren oder Eisklettern sicher sinnvoll ist, war auch hier die Entscheidung schnell gefallen. Das erwies sich denn auch ziemlich gut, da man sich an das Tragegefühl erst gewöhnen muss. Und auch die Möglichkeiten, die die Schuhe bieten (z.B. was man alles treten kann…) muss man erst vertrauen lernen. Die anderen Schuhe hatte ich zwar im Rucksack, hätte sie aber unten lassen können.

[zonoex url=”” title=”Frühstücks Pano [30 Bilder]”]bk_008.jpg[/zonoex]

Samstag abend noch schnell ein paar Eier gekocht und Lunchboxen gepackt, einen Massenmörder und ein Kettensägenmassaker in Manhattan gehabt (schläft sich besser), und ab ins Bett! Schließlich wollten wir Sonntag früh raus, um nach zweieinhalb Stunden Fahrt um Neun losmarschieren zu können. Aus dem Plan, um sechs los zu kommen, ist nichts geworden, aber mit zwanzig Minuten Verzögerung waren wir immernoch ganz gut im Plan und letztlich tatsächlich kurz nach neun in der Spur.
Nach etwa 10 Minuten und 50 Höhenmetern (zumindest gefühlt) mussten wir das erste Mal anhalten: Fließ und Mütze ausziehen. Nachdem es am Auto doch sehr frisch war (ich hab nur mit viel Selbstüberredung die Handschuhe im Rucksack gelassen), war es mit ein bisschen Bewegung doch sehr warm. Also haben wir bevor es zu spät ist, den Pullover ausgezogen und sind mit Merino und Softshell gut bedient gewesen. Nochmal 20 Minuten später habe ich dann auch meine lange Unterhose gegen ein bisschen Nichts getauscht. Zwar war die Luft an sich sehr frisch, und auch der Wind war alles andere als angenehm, aber in Bewegung hat die dünne Kletterhose völlig gereicht.
Die Tour führte uns zunächst über die Hundskopfalm bis zu einem Geröllfeld. Nach der Traverse über dieses fing ein steiniges, steiles Waldterrain an, welches immer wieder schattige Stellen bot, um kurz zu rasten (vor allem auf dem Rückweg waren wir dafür dankbar!). Mit erreichen der Baumgrenze (die recht tief liegt, was wohl am Fels liegt – bei Witterungsabnutzung werden kaum Nährstoffe für Pflanzen freigesetzt) fanden wir eine kleine Hütte, an der wir eine kurze Trinkpause machten. Da der Wind aber recht frisch war, blieben wir dort nicht lange, sonder gingen bald weiter: Der Weg führte nun über viele kleine Serpentinen eine kleine (aber steile!) Alm hoch. Hier pfiff der Wind recht unerbittlich, was wohl zu keiner Jahreszeit wirklich angenehm ist: Aufgrund der Sattelform dieses Stücks kommt der Wind hier sehr konzentriert von unten.

[exzo url=”” title=”[SC] Lekker Tomate”]bk_003.jpg[/exzo]

Nach guten eineinhalb Stunden Marschzeit haben wir die erste richtige Rast gemacht. Kurz nach dem Grat des Hundskopf erreichten wir ein schönes windgeschütztes, sonniges Plätzchen mit toller Aussicht auf den Gipfel, an dem wir unsere Brotdosen auspackten und ein bisschen mitgebrachten Tee schlürften. Ich mag diesen Ort sehr: Der Wind, der dort wehte, war so sanft (und warm), dass man ihn weder spürte, doch hörte. Man konnte zwar sehen, wie das Gras sich bewegte, aber es fehlte das typische damit verbundene Raschelgeräusch. Hin und wieder zirpte eine Grille, aber das war dann auch schon alles, was man hören konnte. Wirklich schön – auch wenn diese Art von Stille auf Dauer vielleicht gruselig wär. ; )
Frisch gestärkt machten wir uns an die zweite Hälfte des Weges – zumindest sagte ein Wegweiser, dass es noch eineinhalb Stunden bis zum Gipfel wären. Durch leicht hügeliges Terrain folgten wir dem Weg an einem kleinen (bestimmt furchtbar kalten!) See vorbei in Richtung Grat des Biberkopf. Der zweite See an dem wir vorbei kamen (gut, es war mehr ein Tümpel) hatte schon eine kleine Eisschicht, und auch der Boden zeigte an einigen Stellen, an denen die Sonne heute noch nicht war die weißen Spuren des nächtlichen Frosts. Schon recht weit unten kamen uns Wanderer entgegen, die den Sonnenaufgang am Gipfel erleben wollten und so waren wir bei weitem nicht die erste Gruppe, die diesen Weg nahm. Entsprechend matschig waren die Stellen des Weges, an denen die kräftiger werdende Sonne die kleinen Schneehaufen schmolz, die am Wegesrand lagen. Die Steilheit des Gerländes tat ihr Übriges und so wurden einige Höhenmeter dieses Weges zur Schlitterpartie – wie das wohl erst auf dem Rückweg werden würde?

[zonoex url=”” title=”Grat Pano [15 Bilder]”]bk_015.jpg[/zonoex]

Mit stiegender Höhe wurden unsere Verschnaufpausen deutlich kürzer, weil der Wind immer unangenehmer wurde. Am Ende der Alm angekommen sah es aus, als würde uns der Weg nach einem Grat nordseitig weiterführen, also nutzen wir die letzten Sonnenstrahlen vor dem großen Schatten, um uns unsere Pullovoer wieder anzuziehen, und auch die Handschuhe griffbereit zu halten. Ab jetzt ging es nämlich mehr über felsigen Untergrund, teils mit Schnee bedeckt – hier war es einfach angenehmer, eine Hand am Berg zu haben, wenn der kalte Stein durch Handschuhe abgeschirm wurde. Unterwegs trafen wir eine Seilschaft, die sich gerade ihr Klettertsteigset anlegte. Auf unseren Kommentar zu den frischen Temperaturen hier oben antworteten sie nicht, was, wie sich später herausstellte, daran lag, dass sie nur Englisch verstanden. Wir folgten den roten Punkten ohne Klettersteigset – zum jetztigen Zeitpunkt war sowieso noch nirgends eine Sicherung möglich.
Der Weg führte uns bald wieder auf die Südseite, und so nutzten wir dort nocheinmal die Gelegenheit für eine größere Rast. Ganz oben würden wir sicher nicht mehr essen wollen… Außerdem konnten wir so weitere absteigende Gruppen über die Bedingungen am Gipfel befragen. Als wir erfuhren, dass das (fast) letzte Stück – ein Kaminartiges Klettersteigstück (UIAA 1) – zwar an sich sehr schön, aber momentan verschneit war, fingen wir an, unsere Gipfelhoffnung aufzugeben. Wir hatten zwar schon vorher gehört, dass inzwischen einige Gruppen oben waren, und der Weg ganz gut frei gelaufen sei, die vor uns stehenden sagten aber, sie seien beim Abstieg sehr froh um ihre Steigeisen gewesen.
Thomas und ich waren uns dann einig, dass wir beide nicht dringend dem Gipfel bräuchten (das Problem ist ja, dass wir auch wieder runter müssen), dass wir aber schon noch ein Stück gehen wollten – soweit, wie wir uns einen sicheren Rückweg zutrauen, mindestens aber zehn Meter weiter, als Thomas mit Brigitte beim letzten Mal (kletternd) gekommen war.

[zonoex url=”” title=”Schnee Pano kurz nach dem Standplatz von 2005 [20 Bilder]”]bk_012.jpg[/zonoex]

Gesagt getan, folgten wir den ausreichend rot markierten Felsen in die Höhe. Kurz darauf erreichten wir den eben erwähnten Ausstieg der Route, und trafen auf ein Stück verschneites (und festgetrampeltes) Klettersteiggelände. Da es nur zwei recht steile Meter waren, und es danach offenbar südseitig weiterging, entschieden wir uns, dieses Stück noch zu gehen, und zu gucken, wie es weitergeht – wir wollten mindestens mal den Kamin einsehen können – auch um einen Eindruck fürs nächste Mal zu gewinnen. Mit etwas Konzentraition und viel sicherem Tritt war dieser Felskopf dann auch kein Problem. Es folgte ein Stück Grat, auf dem es mal südseitig sonnig mal nordseitig verschneit vorran ging, welches aber gut abgesichert kein Problem darstellte.
Als wir dann den Fuß eines kleineren steilen Stückes erreichten, dem offenbar der Kamin folgen würde, beschlossen wir, das wir für heute Schluss machen würden. Zum einen hatten wir eine recht intensive sportliche Woche hinter uns (Thomas war am Tag vorher noch auf einem Volleyballspieltag) und waren müde, und zum anderen konnten wir einen anderen Wanderer beobachten, wie er gerade im verschneiten Kamin mehr kletterte als ging und wollten uns ohne Steigeisen und ohne Absicherung dieser Gefahr nicht aussetzen. Selbst wenn wir hoch vielleicht noch kämen, müssten wir noch müder wieder runter – man muss sein Glück ja nicht herausfordern.
Nach einigen Panoramas, einem Mini-Kurs in Sachen Portraitfotografie (“am rechten Zeigefinger das Rad… rechts… das andere rechts… genau… da das Rad drehen um die Blendenzahl runterzuregeln” 😉 ) machten wir uns an den Abstieg.

[exzo url=”” title=”[SC] Fotokurs am Standplatz von 2005″]bk_019.jpg[/exzo]

Das felsige, steile Gelände war sehr anstrengend, und ich war einmal mehr froh, an diesem Tag die Bergschuhe angezogen zu haben. Bald war uns beiden wierder sehr warm, und kaum an der Schattengrenze angekommen, an der wir vorhin frierend die Pullover angezogen haben, zogen wir sie jetzt schwitzend wieder aus. An unserem Frühstücksplatz war dann auch die Jacke fällig, weil es zunehmend wärmer wurde – und das Stück schlammigen Wegs zwar weniger schlimm als gedacht, aber dennoch sehr anstrengend gewesen war. Nochmal kurz die Stille genießend und einem Blick auf die Gipfel werfend (der irgendwie hämisch zu grinsen schien) machten wir uns bald auf zu der kleinen Hütte kurz überhalb der Baumgrenze. Hier tranken wir den letzten Tee, stärkten uns für die letzte Stunde Weg und gingen bald weiter (vor allem, weil die Aussicht auf Schatten sehr verlockend war). Das Waldstück stellte sich als äußerst ermüdend heraus – viele Stellen verlangten höchste Konzentration, um sich auf dem steinigen Weg (trotz geeigneter Schuhe) nicht die Beine zu brechen, und so steil wie es hoch ging, ging es eben auch wieder runter…
Am Geröllfeld angekommen, beflügelte uns die Sicht auf die kleine Almhütte, an der wir das erste Mal angehalten hatte, um die Pullover auszuziehen. Zwar war es noch ein ganzes Stück bis dahin, und von dort mussten usn die zitternden Beine ja auch noch bis ganz unten tragen, aber zumindest war es aber hier nur noch glatter Weg, der gegangen werden musste.
So kamen wir nach insgesamt sechs einhalb Stunden Bergtour erschöpft aber zufrieden am Auto an. Nach dem anstrengenden Abstieg waren wir beide froh, uns gegen den Gipfel entschieden zu haben – der Tag war auch so sehr schön und gelungen. Außerdem steht der Biberkopf da jetzt schon ein paar tausend Jahre – also wird er nächsten Sommer auch noch da sein. : )
 

text: annepanne

Alle weiteren Bilder gibt es wie immer in der Gallery [20 Bilder].


One Response [Umgekehrte Reihenfolge]

  1. gokart
    #67748
    1

    Sehr schöne Bilder habt ihr gemacht