Bouldern in Cresciano und Passo del Gottardo



Das DAV Heft 04/2013 hat in der Kategorie »Spitz und Breit« erwähnt, dass Besucher der Website 8a.nu neben Fontainebleau (Frankreich) und Rocklands (Südafrika) das Gebiet Cresciano/Chironico in der Schweiz zum drittbesten Bouldergebiet gekürt haben. In Bleau waren wir schon und Südafrika schienen für einen Wochenendtrip etwas zu weit. Damit fiel die Entscheidung für das Ziel unseres langen Wochenendes leicht: Zunächst zum Campingplatz al Censo – gleichzeitig Unterkunft und Dealer des lokalen Boulderführers, und dann dahin wo uns die Boulderlust treibt.

[exzo url=”” title=”Bouldern über den Dächern von Cresciano im Tessin”]tessing_bouldern_0813_0001.jpg[/exzo]

Da ein Topo im Buchladen nicht zu haben war, und die Ansage galt, den gäbe es vor Ort, setzten wir uns entgegen unserer Natur ohne Guide ins Auto und fuhren ins Unbekannte. Wir konnten nicht ahnen, dass unser Plan damit schon in der Basis etwas brüchig war: Das Buch ist nämlich derzeit in Ãœberarbeitung und wird im Herbst wieder aufgelegt – bis dahin ist kein Exemplar zu haben. Nirgends.

Aber für genau solche Fälle sind wir ja mit einem Mund zum Reden ausgestattet. Der Zeltplatz zog bei 35°C im Schatten zwar eher Familien mit Kindern an, aber der ein oder andere Sportler war auch dabei. Und so bekamen wir von ein paar netten Ingolstädter Canyoning-ern den Tipp, mal bei la Finca nach dem Buch zu fragen – sie hätten dort einen “ausverkauften” Guide für ihre Touren gefunden. Zwar konnte uns der Besitzer dort keinen Guide verkaufen (“falsche Jahreszeit”), aber er konnte uns recht präzise sagen, wie wir hinkommen und wo wir hinwollen. Noch am Abend unserer Ankunft haben wir den Einstieg ausgekundschaftet und den Einstiegsboulder für den nächsten Tag identifiziert. Mit diesem Plan im Kopf und viel Vorfreude in den Fingern konnten wir unsere Campingplatznudeln und die mitgebrachte Flasche Wein bei sternklarer Nacht standesgemäß genießen.
[exzo url=”” title=”Auf dem Weg zu den Blöcken”]tessing_bouldern_0813_0002.jpg[/exzo]

Bouldern in Cresciano

Am nächsten Morgen konnten wir entgegen der Erwartung relativ lange schlafen, und wurden statt von der Sonne auf dem Zelt von der Junggesellenparty der nächsten Parzelle geweckt. Wie sich herausstellte geht die Sonne hier nämlich hinter den Bergen und damit angenehm spät auf. Als wir dann gegen 10 Uhr bei den Boulderfelsen ankamen, strahlte sie dagegen mit aller Kraft. Aber die Boulder liegen im Wald und immer Mal geht auch ein Wind, so dass es gerade noch erträglich blieb – wenn man sich gemächlich treiben ließ.

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Da wir keinen Topo dabei hatten, haben wir gemacht, was uns anlachte. Hinterher haben wir im Internet herausgefunden, dass wir uns zum Start durch den Sektor »Grotte des Soupirs« und später durch die »Ziegentraverse« bewegt haben. Da der Fels (Gneis mit gelegentlichen Quarz-artigen Strukturen) wetterbedingt eher schwer zu halten war, und wir auch ohne den Ansporn einer bekannten Topo-Bewertung geklettert sind, waren wir vermutlich eher zu leicht unterwegs und haben einige probierenswerte Felsen im 5. und unteren 6. FB Grad liegen gelassen. Trotzdem hatten wir uns bis zum Mittag schon ordentlich ausgetobt. Insbesondere der erste Block im Sektor Ziegentraverse hatte es uns angetan: Am Vortag hatten wir diesen Fels als “Frauenboulder” identifiziert, weil er aus einer senkrechten Platte bestand, die mit großen und kleinen Leisten gespickt war. Vor allem eine Tour mit mehreren großen Quarzstrukturen lachte Anne an. Allerdings haben die Leisten auf Dauer so die Finger belastet, dass wir kurz vor der Lösung aufgeben mussten. Fürs nächste Mal aufgehoben – ein guter Grund im Herbst wieder zu kommen!

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Nachdem es inzwischen schon ganz schön warm war, und ich Hunger hatte, und müde war, und Pipi musste, war es jetzt Zeit für eine Siesta. Es gibt (fast) nichts schöneres, als sich im Wald auf die Bouldermatte zu legen und einfach wegzudösen – so muss Urlaub sein! Nebenbei stärkten wir uns mit ein paar Salamis und Müsliriegeln und tranken heißen Pfeffi-Tee aus der Thermoskanne. Das mag zunächst komisch erscheinen, aber wir stellen immer wieder fest, dass selbst bei größter Hitze so ein warmer Tee ordentlich erfrischend ist (liegt vielleicht auch an der Sorte »aus Mamas Garten« 😉

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Frisch erholt und gestärkt machten wir uns erneut an ein paar Felsen, die wir uns vor der Pause schon ausgeguckt hatten. Einer der Boulder den wir hier gemacht haben, war eine glatte, geneigte Platte, die man mit Hilfe der seitlichen Kante leicht erschließen konnte. Allerdings packte mich dann der Ehrgeiz und ich habe versucht, sie ohne diese Kante zu klettern. Das ist zwar wirklich nicht leicht, aber es geht – und macht Spaß! Andere Platten waren da herausfordernder, und wieder andere waren gar keine, sondern eigentlich Sloper und überhängend, und insgesamt stellten wir fest, dass auf diesem kleinen Gebiet relativ vielseitige Boulderei zu finden war! Trotzdem ließen wir diesem Bouldertag langsam ausklingen, denn die Haut an den Fingern hatte schon ganz schön gelitten hatte und wir wollten ja noch einen zweiten Tag bouldern gehen.
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Ruhe-Tag

Für den zweiten Tag im Tessin hatten wir uns aber zuerst mal einen Ruhetag eingeplant, damit die Finger eine Chance haben zumindest ein wenig zu regenerieren. Und wie das an Ruhetagen so üblich ist, haben wir uns eigentlich kein bisschen Erholt: Zunächst sind wir nach Bellinzona zur Touristeninfo gefahren. Wir haben uns dort mit einer Karte der Stadt und Flyern mit Optionen eingedeckt und entschlossen uns, das Auto stehen zu lassen, und die Burgen der Stadt zu erkunden. Erstes von drei Zielen war das Castelgrande, wobei Thomas sich hier entschloss sportlich zu bleiben, wogegen ich der Faulheit nachgab: Zwar hatte man die Wahl, die Höhendifferenz mit dem Fahrstuhl zu bewältigen, aber Thomas wählte die Treppen und zählte gute 200 Stufen bis in den unteren Burghof. Soviel zum Thema Ruhetag…

[zonoex url=”” title=”Castelgrande”]tessing_bouldern_0813_0009.jpg[/zonoex]
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Die Burg kostet erfreulicherweise zu großen Teilen keinen Eintritt und ist sehr hübsch. Neben dem klassischen »Burgfeeling« und toller Aussicht auf die Stadt bietet sie auch viele Grünflächen und vereinzelte Bäume, in deren Schatten man sich immer wieder niederlassen und rasten kann. In dem Wetter angemessenen gemächlichem Tempo erkundeten wir die verschiedenen Höfe und die Stadtmauer und (mehr oder weniger) geheime Gänge bis wir hungrig waren. Dann gab es einen Snack in der Stadt, bevor wir uns an den Aufstieg zur nächsten Burg, dem Castello di Montebello machten – diesmal zwangsweise ohne Fahrstuhl. Etwas höher gelegen strahlt diese Burg einen stärkeren Wehrcharakter aus und wirkt noch »burgiger« als das Castelgrande. Allerdings ist es damit auch ungemütlicher und lädt weniger zum Verweilen ein. Deshalb machten wir uns relativ rasch wieder auf den Weg und beschlossen auch, dass wir ausreichend burggesättigt waren, und den Aufstieg zur dritten Burg sich in der Hitze kaum rentieren könne. Also gingen wir zurück zum Auto und von dort zum Zeltplatz, auf dem eine Melone bereits darauf wartete gekühlt und verspeist zu werden.

[zonoex url=”” title=”Castello di Montebello”]tessing_bouldern_0813_0010.jpg[/zonoex]
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Den Rest des Nachmittags verbrachten wir ruhend auf dem Zeltplatz, denn mehr war bei den Temperaturen einfach nicht möglich. Erst gegen Abend gab es dann nochmal etwas Hektik, als wir unseren Zeltplatz gegen ein großes Familienzelt verteidigen mussten: Wir standen nämlich auf einer größeren Fläche, und der Platz neben uns war einer vierköpfigen Familie zugewiesen worden. Aber da der leichte Regen am Abend nicht stark genug, dass wir hätten abspannen müssen, wurden wir uns am Ende doch leicht einig.
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Bouldern im Gottardo-Gebiet

Am Sonntag mussten wir wie üblich gegen 11 vom Zeltplatz sein. Also schliefen wir, solange wir konnten und packten dann gemütlich unsere Sachen zusammen. Der Plan für diesen Tag sah vor, das Gebiet »Gottardo« zu erkunden – den Topo dafür gab es nämlich noch zu kaufen und hatten wir tags zuvor vom Campingplatzbesitzer erstanden. Das Gebiet lockt mit verstreuten Felsen auf einer Hochebene gleich hinterm Gottardpass und war vom Zeltplatz in 40 Minuten zu erreichen. Die Höhe von etwa 2000 Metern hat außerdem den angenehmen Nebeneffekt, dass das Gebiet ein wenig kühler zu sein versprach als Cresciano. Oben angekommen, ließen wir dann aber doch die bereit gelegten Jacken im Auto, weil es im Gegenteil auch hier recht warm war. Nur wenn der Wind auffrischte, oder sich eine Wolke vor die Sonne schob, war es etwas kühler.

[exzo url=”” title=”Bouldern im Gottardo Pass”]tessing_bouldern_0813_0014.jpg[/exzo]

Zuerst steuerten wir den Parkplatz für die Gebiete 4, 5 und 6 an, die quasi direkt hinterm Gottardpass begannen. Hier oben war deutlich mehr los, als unten in Cresciano: Nur mit Mühe und Kreativität fanden wir einen Platz fürs Auto, und schon vom Parkplatz aus konnten wir die ersten Boulderer in ihrem Element beobachten. Um dem Trubel ein wenig zu entgehen, suchten wir uns zum Start den eher abgelegenen Fels #8 im Gebiet 5 “Ecstasy” aus, wobei wir bei der Suche feststellen mussten, dass die Navigation nicht ganz trivial war. Aber als wir dann ein Gefühl für die Abstände der Felsen im Topo bekommen hatten, wurde auch das leichter.

[zonoex url=”” title=”Getting Ready am Block #8″]tessing_bouldern_0813_0015.jpg[/zonoex]
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Block Nummer 8 bestand aus einer eher uninteressanten geneigten Platte, einer Kante sowie einem leichten Überhang. An der Platte spielten wir ein wenig, um uns warm zu machen, gingen aber relativ schnell zur Kante über, bei der wir uns auf einen Stehstart plus ausstieg beschränkten. Auch am Sitzstart haben wir eine Weile geknobelt, und die Lösung vermutlich auch gefunden, ohne sie jedoch am Ende wirklich zu schaffen. Stattdessen haben wir dann noch die beiden Überhangrouten ausgeknobelt, bevor wir das Potential dieses Felses ausgeschöpft hatten und uns zum nächsten Ziel aufmachten.

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Block #6 des gleichen Gebietes bietet wie schon #8 viele abwechslungsreiche Routen: Wieder gab es eine Platte, außerdem einen markanten Riss und eine hübsche Kante mit kleinen Leisten. Vor allem an der Kante haben wir zum Abschluss noch viel Spaß: Im Team haben wir ausgeknobelt, wie sie zu lösen ist, und sie nach einigen Versuchen dann auch tatsächlich geschafft. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir schon ein Dutzend Routen gemacht, und stellten fest, dass Haut und Gelenke den ersten Bouldertag wohl doch noch nicht ganz vergessen hatten. Also beschlossen wir, uns langsam auf den Rückweg zu machen und noch ein bisschen an den Felsen am Parkplatz zu spielen. Außerdem wollten wir noch ins Gebiet 13 “Mushroom Tunnel”: Dort hatten wir im Topo ein paar hübsche Felsen gesehen, an denen wir unser Können testen wollten.

[exzo url=”” title=”Glatte Platte”]tessing_bouldern_0813_0018.jpg[/exzo]

Im Mushroom Tunnel angekommen, konnten wir dann jedoch keinen einzigen Felsen aus dem Topo ausfindig machen: Wir vergewisserten uns nochmal, ob wir wirklich in der richtigen Kehre angehalten hatten, und auf der richtigen Straßenseite suchten, haben dann aber die Suche aufgegeben. Das Navi sagte viel Stau für den Österreicher Verkehr voraus, und selbst ohne den Verkehr war es noch ein gutes Stück Fahrt. Also gab es noch einen Mittagssnack zum Abschluss, und dann machten wir uns auf den Weg. Aus vergangenen Trips hatten wir schon gelernt, auf das Navi zu hören, wenn es eine Ausweichroute empfiehlt – selbst wenn es sich dort auch zu stauen scheint. Und tatsächlich löste sich der zähe Verkehr bald auf, und wir konnten entspannt nach Hause rollen, und das lange Wochenende zu Hause noch mit einem Bierchen ausklingen lassen.

[exzo url=”” title=”Endlich geschafft!”]tessing_bouldern_0813_0019.jpg[/exzo]

Weitere Bilder in der Galerie unter: Index » Sports » Rock & Ice » Bouldern im Tessin


2 Responses [Umgekehrte Reihenfolge]

  1. Peter
    #175911
    2

    Hallo liebe Boulderfreunde, Cresciano ist wahrlich ein Hot Spot in der Szene. Leider hat die Beliebtheit auch seine Schattenseiten. Da einige hundert Leute da oben klettern, ist bei denen zwangsläufig der Drang zur Erleichterung auch mal vorhanden. Es stinkt mittlerweile zum Himmel, weil alle ihre Exkremente hinter Steinen, Bäumen und Büschen hinterlassen. An normales Wandern da oben ist gar nicht mehr zu denken, überall liegt Papier und das zugehörige Häufchen. Ein ebenso grosses Problem sind die Leute, die im Tal einfach im Auto ohne irgendwelche Infrastruktur übernachten und ebenfalls in den Wäldern ihre Hinterlassenschaften deponieren. Was Ihr nicht wissen könnt, das Gebiet im Tal ist ein Revier für Speisemorcheln und in den Bergen für Steinpilze. Wundert Euch also nicht, wenn ihr von den Einheimischen schräg angeschaut werdet. Es gibt das Ostello und den Camping auf der Finca, wo alles nötige vorhanden ist. Das wilde Campieren ist generell verboten in der Schweiz und wird auch bestraft.

  2. #172085
    1

    Terrific photo. Very impressive feat of strength. Thank you for sharing.

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